Sie möchten einen Hund aus dem osteuropäischen Ausland importieren? Dann möchte ich Ihnen
zunächst sagen, dass ich dieses Vorhaben sehr lobenswert finde. Herrenlose Hunde gibt es hier in
Osteuropa wie Sand am Meer. In großer Not sind diese Tiere hingegen aller Dinge, die man sonst so
oft liest, nicht. Die meisten Bukarester Straßenhunde sind gut genährt und handzahm. Tierschützer
in allen Ehren bedienen sich oft drastischer Aussagen und Fotos, die die Realität der meisten (!)
Streuner nicht wiederspiegelt. Googelt man beispielsweise „Hunde in Bukarest“ wird man diverse
Seiten von Tierschützern finden, Aufrufe gegen den Mord an Hunden im osteuropäischen Ausland
und die häufige Verwendung von Worten wie „Massaker“. Auf der anderen Seite nur wenige dieser
Meldungen: wie viele Menschen bei Angriffen durch streunende Hunde schwer verletzt werden und
sogar sterben.
Die Geschichte der Bukarester Streuner beginnt zu Zeiten des Kommunismus. Die neuen
Lebensumstände vieler Menschen in zu kleinen Wohnungen eines Blocks veranlassten diese dazu
ihre vierbeinigen Lieblinge auszusetzen. Heute leben geschätzte 200.000 Hunde auf den Straßen
Bukarests. Wenige dieser Hunde sind überhaupt domestizierbar, oft sind es junge Hunde, die sich
noch keinem Rudel angeschlossen haben.
Anders als bei den vielen Hunden aus dem Tierheim, deren Historie meistens bekannt ist, gibt es
eine ganze Reihe Dinge, die Sie bei der Anschaffung eines Straßenhundes bedenken und beachten
sollten. Da wäre zunächst die Vorgeschichte des Hundes, die für immer ein Geheimnis bleiben wird.
Wer seine Eltern sind oder welche schlechten Erfahrungen der Hund gemacht hat, all das werden
Sie nicht erfahren. Genauso müssen Sie erst testen, wie sich der Hund mit anderen Artgenossen,
Katzen oder Kindern versteht. In der Regel sind Straßenhunde gut sozialisiert mit anderen Hunden.
Aber ein Zusammenleben mit Menschen ist etwas, das ein Straßenhund erst peu à peu lernen muss.
Während ein Hund aus dem Tierheim in den meisten Fällen bereits eine Erziehung genossen hat,
hatte ein Straßenhund nur sporadisch Kontakt zu Menschen. Streuner sind selten scheu, aber ein
Zusammenleben mit einem Menschen ist etwas völlig Neues für das Tier. Es ist allerdings ein
weit verbreiteter Mythos, dass sich die Erziehung solcher Hunde als weitaus aufwendiger gestaltet
als die von Welpen. Natürlich kann man dies nicht pauschalisieren, denn verschiedenste Faktoren
begünstigen oder beeinträchtigen eine erfolgreiche Erziehung des Hundes: Alter, Vorgeschichte,
etc. Der Besuch einer Hundeschule ist immer empfehlenswert.
Selbstverständlich hat die Erziehung
des Hundes auch viel mit Ihnen selbst zu tun, mit Konsequenz und noch mehr Geduld. Jeder Hund
ist (auch noch in fortgeschrittenem Alter!) lernfähig. Aus eigener Erfahrung: Ich habe zwei
Straßenhunde aufgenommen, beide im Alter zwischen neun und zwölf Monaten, von denen einer
von Tag eins an stubenrein war und der andere ganze zwei Monate dazu erzogen werden musste.
Ein weiteres Problem mit Hunden von der Straße ist deren Drang immer und überall Essbares
aufzustöbern. Beim Gassigehen ist dies nur durch konsequentes Training mit selbst mitgebrachten
Leckerlis zu mindern, zu Hause empfiehlt es sich den Hund nicht unbeaufsichtigt in der Nähe eines
Mülleimers zu lassen und ihn während der eigenen Mahlzeiten in einem anderen Raum zu halten.
So beginnt der Hund gar nicht erst mit dem lästigen Betteln.
In jedem Fall gilt es, das Tier in der ersten Zeit im neuen Zuhause genau zu beobachten und
verstehen zu lernen. Die Vorarbeit, die das Tierheim leistet (zum Beispiel die Auswahl eines
geeigneten Hundes), fällt in Ihrem Falle weg – Sie müssen sich vieles selbst erarbeiten.
Hinterfragen Sie also Ihre Motive! Warum möchten Sie diesen Schritt gehen? Gibt es nicht auch
genug Hunde in deutschen Tierheimen? Die Aufnahme eines Streuners ist immer mit mehr
Problemen und auch mehr Geld verbunden, als die Aufnahme eines Hundes aus dem Tierheim. Es
gibt sicher viele Argumente für oder gegen die Aufnahme eines Straßenhundes, dieses hier ist
garantiert eines der stärksten: Wenn Sie es nicht tun, dann tut es keiner! Denn: Landsleute
adoptieren in den allerwenigsten Fällen streunende Hunde. Das heißt nicht, dass sie nicht tierlieb
wären – im Gegenteil: Viele füttern die Streuner oder verteilen auch mal Zärtlichkeiten. Aber in den
Köpfen der Menschen gibt es eine strikte Trennung: Rassehund versus Straßenhund. Während die
einen als Statussymbol für viel Geld erstanden und im Haus gehalten werden, sind die Mischlinge
von der Straße eben nur Hunde zweiter Klasse, wilde Tiere, die vielleicht noch im Garten oder zum
Schutz eines Gebäudes vor der Tür gehalten werden.
Wenn Sie also der festen Überzeugung sind eine gute Tat zu vollbringen, dann kann ich Ihnen
bedingt zustimmen. Rumänien an sich tut man sicher keinen Gefallen, denn das Problem der
streunenden Hunde löst sich auf diese Weise nicht. Reduziert man es aber auf das einzelne Tier, so
kann mit Bestimmtheit von einer guten Tat gesprochen werden.
(Dies ist ein Gastbeitrag von Laura. E. Regenbrecht. Die Autorin lebt in Rumänien.)
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